Der Wunsch nach Selbstoptimierung – oft nur ein Symptom fehlender Anerkennung

In unsere Gesellschaft hat sich der Wunsch nach ständiger Selbst- optimierung eingeschlichen. Aber allzu oft beruht der Antrieb für das Tuning der eigenen Leistung, des Körpers oder des Aussehens nur scheinbar auf positiven Zielen. Dahinter steckt stattdessen der Vergleich mit anderen und Defizitdenken wie Selbstzweifel oder Versagensangst.

Immer öfter begegnet mir in Karriere Coachings, auch bei Führungskräften, die unbewusste oder unreflektierte Orientierung an den Erwartungen anderer: der Familie, der Vorgesetzten, der Kollegen, der Gesellschaft. Vermeintliche Pflichten, Normen, Ideale und Konformitätszwänge verfälschen ein angemessenes Selbst- und Fremdbild und überlagern die eigenen Motive.

Höher, weiter, schneller – schlanker

Wird unter Selbstoptimierung Weiterbildung, verbessertes Selbstmanagement, die Entfaltung von Talenten oder auch körperliche Fitness verstanden, ist das sicher wünschenswert. Stehen aber Probleme mit dem Selbstwert dahinter, führt Selbstoptimierung leicht zu Selbstausbeutung.

Frauen sind auch im 21. Jahrhundert noch anders sozialisiert als Männer und deshalb vielleicht anfälliger für dieses Phänomen. Sie neigen häufiger dazu, im Sinne der sozialen Erwünschtheit zu denken und zu handeln. Eher als Männer stellen sie die Bedürfnisse anderer über die eigenen. Häufiger zweifeln sie daran, allen Anforderungen gerecht werden zu können oder attraktiv genug zu sein. Viele Frauen halten ihre Fähigkeiten und Erfolge für selbstverständlich und bewerten ihre Schwächen gleichzeitig über.

Karrierehindernis Defizitorientierung

Die negativen Folgen liegen auf der Hand: Wenn Selbstzweifel den Blick auf die eigenen Stärken verstellen, sind sowohl die Problemlösekompetenz als auch die Kommunikationsfähigkeit vermindert. Der Vergleich mit anderen und Perfektionismus führen zu Unzufriedenheit mit sich selbst und anderen. Der Kampf gegen vermeintliche Schwächen und der Wunsch nach ständiger Verbesserung der Leistung, der Wirkung oder des Aussehens wird oft zum Raubbau an sich selbst, der zu einer psychischen, mentalen oder körperlichen Überlastung führen kann.

Die Wurzel dafür ist meist fehlende Anerkennung. Auch wenn dies zunächst mit familiärer und gesellschaftlicher Prägung zu tun hat, so findet es seine Fortsetzung im Unternehmenskontext. Denn allzu oft gilt auch hier der Grundsatz „nicht geschimpft ist schon genug gelobt“.

Selbstakzeptanz und Wertschätzung als Gegenmittel

„Höher—schneller-weiter“-Typen brauchen oft lange, bis sie Ihre Grenzen erkennen. Dann gilt es zunächst, den Blick wieder auf die eigenen Fähigkeiten und positiven Eigenschaften, Wünsche, Bedürfnisse und Ressourcen zu richten, um diese zu würdigen und das Selbstbild zu korrigieren. Das erhöht das Selbstbewusstsein, und eine positive Selbstbewertung senkt unter anderem auch das Stressempfinden.

Viele Unternehmen und Vorgesetzte folgen bereits der Grundthese der modernen Psychologie, nach der das Fördern von Stärken und Ressourcen zu mehr Zufriedenheit und besseren Leistungen führt,  als das Ausmerzen von Schwächen. Das zeigt sich vornehmlich in einer Kultur, die Wert auf konstruktives Feedback, Anerkennung und Wertschätzung legt, wie auch auf eine potentialorientierte Personalentwicklung.

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